Veröffentlicht in Träume.
Von Alchera zu Obsidian: Wie ich mein Traumtagebuch modernisiert habe
Geschrieben von Fabian Rojas am .
Ein altes Archiv, neue Wege – und warum es sich lohnt, Träume zukunftssicher zu bewahren.
Seit vielen Jahren halte ich meine Träume in einem digitalen Tagebuch fest – voller Symbole, Begegnungen und Szenen, die oft wie kleine Botschaften aus einer anderen Welt wirken.
Die Geschichte meines Traumtagebuchs begann vor über 22 Jahren. Damals schrieb ich markante Träume in ein Notizbuch, das stets neben meinem Bett lag. So konnte ich sie direkt nach dem Aufwachen aus der flüchtigen Erinnerung heraus festhalten – eine Praxis, die ich bis heute beibehalten habe. Mit der Zeit bin ich jedoch auf ein digitales Traumtagebuch umgestiegen.
Über viele Jahre war Alchera von Mythwell mein treuer Begleiter. Die Software bot damals eine beeindruckende Symbolsuche, Notizfelder und sogar Bildanbindung – alles, was ich brauchte, um meine nächtlichen Reisen zu dokumentieren. Und man konnte sie bereits 2003 per Kreditkarte online kaufen. Heute mag uns das selbstverständlich erscheinen, damals war es noch eine Besonderheit.
Da ich zu jener Zeit keine eigene Kreditkarte besaß, bat ich meinen Vater, mir Alchera mit seiner zu kaufen, während ich ihm den Betrag in bar zurückzahlte. Soweit ich mich erinnere, kostete die Software etwa 30 US-Dollar. Ich weiß noch genau, wie er mich fragte, wozu ich eine solche Software überhaupt bräuchte und warum ich meine Träume aufschreibe. Kurz gesagt: Er verstand den Sinn nicht. Aber das hielt mich nicht auf – ich setzte mich durch und kaufte die Software trotzdem. Rückblickend bin ich sehr froh darüber.
Insgesamt habe ich in den letzten 20 Jahren 134 Träume in Alchera notiert. Da ich mich fast täglich an meine Träume erinnere, wirkt diese Zahl vielleicht gering. Doch ich habe von Anfang an nur solche Träume aufgeschrieben, die besonders stark in mir resonierten und die mich förmlich aufforderten, sie festzuhalten. Deshalb gibt es in meinem Traumtagebuch Jahre mit dutzenden Einträgen – und andere, in denen ich gar nichts notiert habe.
Blicke ich auf die Historie zurück, erkenne ich einen roten Faden: In bestimmten Lebensphasen tauchten bestimmte Themen immer wieder auf und spiegelten sich intensiv in meinen Träumen. Hier erwies sich Alchera als wertvolles Werkzeug, das meine Aufzeichnungen in strukturierter Form archivierte und mir erlaubte, zusätzlichen Kontext festzuhalten.
Doch irgendwann blieb die Weiterentwicklung stehen. Alchera erhielt keine Updates mehr, lief auf modernen Betriebssystemen nur eingeschränkt – und vor allem: die Exportmöglichkeiten waren sehr begrenzt. Am Ende ließ sich nur noch der Text als HTML und die eingebetteten Bilder als PDF sichern.
Genau diese Einschränkung war der Auslöser: Ich wollte mein Traumtagebuch zukunftssicher, plattformunabhängig und durchsuchbar machen – und gleichzeitig meine bisherigen Einträge in ihrer ganzen Tiefe bewahren.
Ein weiterer Beweggrund war mein Wunsch, tiefer in die Traumanalyse einzusteigen. Dafür bot Alchera weder die passenden Funktionen noch die notwendigen Schnittstellen.
1. Ausgangslage

Fangen wir mit meiner alten Software Alchera an. Im Bild oben siehst du einen Screenshot des User-Interfaces. Prinzipiell ist es recht übersichtlich, und dafür, dass die Software bereits 1996 auf den Markt kam, wirkt das Interface auch heute noch erstaunlich ansprechend. Natürlich merkt man den Einfluss der damaligen Windows-XP-Ästhetik, doch Alchera läuft sogar unter Windows 11 noch weitgehend problemlos.
Nun jedoch zu den Punkten, die eine Migration für mich unvermeidbar gemacht haben:
- Proprietäres Dateiformat: Texte werden in einem eigenen, geschlossenen Format gespeichert. Nur Alchera selbst kann sie lesen, andere Anwendungen haben keinen direkten Zugriff.
- Bilder eingebettet: Falls Bilder vorhanden sind, werden sie direkt in das proprietäre Format eingebettet. Eine externe Verwaltung (über Ordner, Links oder Schnittstellen) ist nicht vorgesehen. Auch ein gezielter Export aller Bilder ist nicht möglich.
- Schwache Formatierung: Die Zeilenumbrüche und die Textformatierung sind im Fließtext unzureichend, was besonders beim Export in z. B. PDF deutlich wird.
- Keine strukturierten Metadaten: Wichtige Informationen wie Datum, Tags oder Abschnitte lassen sich nicht in standardisierter Form exportieren. Zwar bietet Alchera vergleichbare interne Funktionen, doch die gesammelten Daten bleiben innerhalb der Software gefangen und können nicht mit externen Programmen analysiert werden.
Aufgrund dieser Einschränkungen entstand bei mir der klare Wunsch, meine Inhalte – also sämtliche Träume mitsamt den dazugehörigen Zusatzinformationen – in ein zukunftssicheres, flexibles und plattformunabhängiges Format zu überführen.
2. Zielsetzung
Um die Migration erfolgreich durchzuführen, habe ich klare Kriterien definiert, nach denen die Daten in das neue Format überführt werden sollen:
- Plattformunabhängige Lesbarkeit: Die Daten sollen auf allen Geräten und Betriebssystemen (Windows, Linux, macOS, Android usw.) problemlos gelesen und bearbeitet werden können.
- Integration in Obsidian oder vergleichbare Tools: Vor kurzem habe ich Obsidian für mich entdeckt – eine leistungsfähige Software zur Erstellung, Verwaltung und Organisation von Notizen. Mit zusätzlichen Plugins können Inhalte nicht nur verknüpft, sondern auch analysiert und ausgewertet werden.
- Strukturierte Daten für Analysen: Die Daten sollen so organisiert sein, dass spätere Auswertungen – etwa zu Symbolen, wiederkehrenden Motiven oder archetypischen Themen – möglich sind.
- Bilder separat, aber verknüpft: Bilder sollen nicht länger im Text eingebettet sein, sondern separat vorliegen, dabei jedoch an den richtigen Stellen im Traumtext verlinkt bleiben.
3. Der Migrationsprozess
3.1 Analyse der alten Daten
Wie bereits angedeutet, waren die Exportmöglichkeiten von Alchera leider stark eingeschränkt. Wobei ich froh bin, dass es überhaupt eine Exportfunktion gab – ohne diese hätte ich mir eine völlig andere Methode überlegen müssen, um die Daten effizient zu extrahieren.
Zunächst habe ich mit den Formaten experimentiert, die Alchera bereitstellt:
- PDF-Export: Dies war mein erster Ansatz. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Textformatierung im PDF problematisch ist – weniger durch Alchera selbst, sondern durch die Eigenheiten des PDF-Formats. Ein klarer Vorteil war allerdings, dass die in manchen Träumen enthaltenen Bilder korrekt exportiert und eingebettet wurden.
- HTML-Export: Hier lag das Problem darin, dass zwar Bild-Referenzen im Code vorhanden waren, die Bilder selbst jedoch nicht exportiert wurden. Dafür war der HTML-Export in Bezug auf den Text deutlich überlegen: saubere Absätze, korrekte Überschriften und eine klare Struktur.
Die Herausforderung bestand also darin, eine Methode zu finden, die die Vorteile beider Export-Formate kombiniert – Textstruktur aus HTML, Bilder aus PDF.
3.2 Technische Umsetzung
An dieser Stelle kam die technische Umsetzung ins Spiel. Mit Unterstützung von GPT entwickelte ich ein Python-Skript, das folgende Schritte automatisiert:
- Liest die Textstruktur (Titel, Datum, Abschnitte wie Eindrücke oder Fazit) aus dem HTML-Export
- Extrahiert Bilder aus dem PDF
- Fügt die Bilder an ihrer ursprünglichen Position im Text wieder ein (als Markdown-Link)
- Speichert alles als Markdown-Dateien mit YAML-Header, die sich nahtlos in Obsidian integrieren lassen

Die größte technische Herausforderung lag in der konsistenten Extraktion von Text und Bildern bei gleichzeitiger Erhaltung ihrer korrekten Position im Traumtext. Dieses Problem ließ sich jedoch durch die Kombination der beiden Export-Formate (HTML und PDF) und ein vergleichsweise schlankes Python-Skript elegant lösen.
3.3 Optimierungen
Nach der Extraktion der Daten aus Alchera erzeugte das Python-Skript die Markdown-Dateien mit den folgenden einheitlichen Spezifikationen:
- Dateibenennung:
YYYY-MM-DD Titel des Traumes.md
- YAML-Metadaten: Titel, Datum, Uhrzeit, Tags
- Bilder: Ablage in einem separaten Unterordner
bilder/
- Textbereinigung: Entfernung von durch das PDF verursachten, unnötigen Zeilenumbrüchen
Damit war die Migration abgeschlossen. Ich konnte die Markdown-Dateien direkt in einen neuen Obsidian-Vault importieren („Vault“ bezeichnet in Obsidian einen abgeschlossenen Arbeitsbereich) und dort unmittelbar weiterbearbeiten.
Das Ergebnis sind Inhalte mit den folgenden Eigenschaften:

- Markdown-Dateien in klarer Struktur
- Alle Bilder an richtiger Position im Text
- Direkt importierbar in Obsidian:
- Suchbar nach Datum, Titel, Tags
- Volltextsuche über gesamte Sammlung
- Zukunftssicheres Format
4. Persönliche Erkenntnisse
Die Migration von Alchera zu Obsidian hat sich in jedem Fall gelohnt. Rückblickend erinnere ich mich daran, dass ich oft einen gewissen Widerstand verspürte, wenn ich neue Träume von meinem Papier-Traumtagebuch in Alchera übertragen wollte.
Im neuen Format habe ich inzwischen einige Träume notiert – und dieser Widerstand ist verschwunden. Im Gegenteil: Ich habe vielmehr den Eindruck, wieder mehr Freude daran zu haben, meine Träume aufzuschreiben.
Beim Extrahieren und Wiederlesen der alten Einträge hatte ich einige überraschende Momente. Es ist erstaunlich zu sehen, mit welchen Themen sich das Unterbewusstsein in bestimmten Lebensphasen auseinandergesetzt hat. Teilweise ertappte ich mich sogar dabei, mich für alte Träume fast zu schämen. Aber warum eigentlich? Damals hatte ich diese Gedanken, Sorgen und Gefühle – und auch wenn sie mir heute vielleicht komisch, übertrieben oder kindlich erscheinen, waren sie damals wichtig und gültig.
Ein Beispiel: Anfang 20 war ich unglücklich in eine junge Frau verliebt, ohne mich je zu trauen, ihr meine Gefühle zu gestehen. Aus heutiger Sicht glaube ich, dass eine Beziehung mit ihr ohnehin nicht funktioniert hätte. Doch in meinen Träumen aus jener Zeit spielte sie eine zentrale Rolle – und spiegelte meine damaligen Gefühle intensiv wider.
Gleichzeitig wurde mir bewusst, welche Symbole und Motive sich über die Jahre hinweg wiederholen und wie sich ein roter Faden durch meine Traumthemen zieht. Auch mein Schreibstil hat sich im Laufe der Zeit verändert – ebenso wie die Themen, die mich innerlich beschäftigt haben.
Am schönsten finde ich jedoch die Erkenntnis, dass ich beim Lesen und Analysieren alter Träume sehe, wie sehr sich meine Lebensqualität verbessert hat. Viele Themen, die mich früher belasteten, gehe ich heute gelassener und reifer an. In meinen Träumen spiegelt sich diese Entwicklung wider – ein sichtbares Zeichen meiner inneren Arbeit.
5. Ausblick
Die Migration ist abgeschlossen – aber das war nur der Anfang. Für die nächsten Schritte habe ich mir einiges vorgenommen:
- Systematische Analyse von Archetypen und Mustern: Jetzt, da die Daten in einem gut strukturierten Format vorliegen, habe ich begonnen, meine neuen Träume systematisch auszuwerten. Dabei lasse ich mich von GPT unterstützen – mit faszinierenden Ergebnissen und neuen Einsichten. Mehr dazu wird es in einem kommenden Blogartikel geben.
- Verknüpfung ähnlicher Träume und Symbole: Durch die einheitliche Struktur kann ich nun Träume mit ähnlichen Symbolen leichter verknüpfen und analysieren. Damit wird eine traumübergreifende Interpretation möglich, die zuvor undenkbar war.
- Erstellung eines „Traum-Atlas“ in Obsidian: Mithilfe von Datenanalyse-Tools und Plugins plane ich, meine gesammelten Träume zu einem „Traum-Atlas“ zusammenzuführen. Eine Vorstellung, die mich sehr begeistert – denn so könnte aus einzelnen Fragmenten ein umfassendes Bild meiner inneren Welt entstehen.
Abschließendes Fazit
Die Reise von Alchera zu Obsidian war für mich weit mehr als ein rein technischer Migrationsprozess. Sie war eine Gelegenheit, meine Träume in einem neuen Licht zu betrachten, alte Themen wiederzuentdecken und die Entwicklung meiner inneren Welt über zwei Jahrzehnte hinweg nachzuvollziehen.
Mit dem neuen, zukunftssicheren Format habe ich nicht nur meine bisherigen Aufzeichnungen bewahrt, sondern auch die Grundlage geschaffen, meine Traumarbeit weiter zu vertiefen. Ob Symbolanalysen, Archetypen oder die Verknüpfung wiederkehrender Motive – all das ist nun auf eine Weise möglich, die früher undenkbar war.
Vor allem aber spüre ich eine neue Freude am Aufschreiben. Widerstände, die ich früher empfand, sind verschwunden. Stattdessen ist da die Gewissheit, dass meine Träume nicht nur sicher archiviert, sondern lebendig miteinander verbunden sind – und dass ich sie jederzeit weiterdenken und in mein Leben integrieren kann.
Für mich ist klar: Dieses neue Traumtagebuch ist nicht das Ende einer Reise, sondern der Beginn einer spannenden neuen Etappe.
Titelbild: Foto von Илья Мельниченко auf Unsplash