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Star Trek: Utopie und der Traum eines kleinen Jungen
Geschrieben von Fabian Rojas am .
Space: the final frontier. These are the voyages of the starship Enterprise. Its continuing mission: to explore strange new worlds. To seek out new life and new civilizations. To boldly go where no one has gone before!
Anfang der 90er Jahre, in einer kleinen Gemeinde im Westen Vorarlbergs. Ein acht- oder neunjähriger Junge sitzt jeden Mittwochnachmittag um 15 Uhr auf dem Sofa und lauscht gebannt den in der Einleitung geschriebenen Worten, die aus dem Fernseher erklingen. Es ist der Beginn einer fantastischen Reise, die bis heute andauert.
Star Trek. Nie hat mich eine Serie mehr interessiert, faszinierend und inspiriert. Unzählige Male habe ich mir vorgestellt, wie es wohl wäre, auf dem Raumschiff mit dem Namen Enterprise schneller als das Licht durch die Galaxis zu fliegen. In meiner Fantasie habe ich oft selbst auf dem „Captain's Chair“ Platz genommen und dabei unzählige Abenteuer erlebt.
Manchmal, wenn ich nach der Schule mit dem Bus nach Hause fuhr und ganz vorne neben dem Fahrer stand, habe ich mir vorgestellt, dass die große Windschutzscheibe der Hauptbildschirm auf der Brücke der Enterpise ist. Auf der Schnellstraße zog die Landschaft an uns vorbei und in meiner Fantasie die Sterne (und zwar in Warp-Geschwindigkeit).
Und wenn mir beim obligatorischen Besuch der Kirche mit meinen Eltern langweilig war (was nicht selten vorkam), habe ich mir manchmal vorgestellt, wie die Enterprise als Miniatur über die Köpfe des Pfarrers und seiner Gehilfen hinwegfliegt.
Kurz: Star Trek hat mich schon immer magisch angezogen. In diesem Artikel möchte ich Dir erklären, was mich an dieser Serie so sehr fasziniert, wie das mit meinen Träumen zusammenhängt und warum meine Mutter unrecht hatte. Und wer weiß - vielleicht denkst auch Du nach der Lektüre dieses Textes anders über Star Trek. Unabhängig davon, ob Dir diese Serie davor schon gefallen hat oder nicht.
Der Genauigkeit halber möchte ich an dieser Stelle kurz etwas anmerken: wenn ich von Star Trek rede, meine ich damit hauptsächlich Star Trek: The Next Generation (kurz ST:TNG) mit Patrick Stewart als Captain Jean-Luc Picard. Für Star Trek: The Original Series (ST:TOS) mit Kirk und Spock war ich zu jung. Ich bin ein Kind der 80er und 90er, weshalb eine Serie aus den 60er bei mir damals einfach nicht punkten konnte.
Auch die auf ST:TNG folgenden Star Trek Spinoffs Star Trek: Deep Space Nine (ST:DS9), Star Trek: Voyager (ST:VOY) und Star Trek: Enterprise (ST:ENT) konnten zwar mit vielen guten Episoden und interessanten Themen glänzen, aber keine dieser Serien hat bei mir je den Status erreicht, den ST:TNG bis heute einnimmt.
Ich möchte mich an dieser Stelle übrigens klar und deutlich vom Star Trek Reboot von J.J. Abrams distanzieren. Das hat für mich nichts mehr mit dem Star Trek zu tun, das mich fasziniert und inspiriert.
Nach diesem kurzen Einschub jetzt aber wieder zu der Frage, was mich an Star Trek so fasziniert. Zugegeben: Als ich jünger war, hat mich vor allem die Technologie beeindruckt. Warp-Antrieb, Transporter, Holodeck – ich hatte (und habe noch) eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie jedes System funktioniert. Rein hypothetisch natürlich und so wie es sich die Autoren und wissenschaftlichen Berater der Serie vorgestellt haben, denn diese Technologien existieren natürlich nicht. Früher dachte ich, dass ich Luft- und Raumfahrttechnik wegen diesem technischen Interesse anfing zu studieren. Doch das trifft den Kern der Sache nicht ganz.
Ich kann mich gut daran erinnern, dass mein Vater mir in meinen Teenager-Jahren von Zeit zu Zeit gesagt hat, ich solle mich nicht nur auf die technologischen Aspekte der Serie konzentrieren, sondern auch die philosophischen und gesellschaftlichen Themen betrachten. Damals habe ich diese Bemerkungen oft mit einem „Wen interessieren denn schon die philosophischen Aspekte von Star Trek?!“ abgetan.
Heute, etwa 20 Jahre später, denke ich wieder häufig an die Worte meines Vaters, wenn ich versuche zu ergründen, warum mir Star Trek so viel bedeutet. Die Wahrheit ist, dass ich es vor allem deswegen liebe, weil es ein utopisches Bild der Zukunft der Menschheit zeichnet.
Ausgangspunkt für diese Utopie ist dabei der 5. April 2063. An diesem Tag gelingt den Menschen der erste Flug mit einem Raumschiff, der die Barriere der Lichtgeschwindigkeit durchbricht. Außerirdische registrieren diesen und beschließen, den ersten Kontakt zu initiieren. Diese Begegnung macht den Menschen bewusst, dass sie nicht alleine im Universum sind. Sie fangen an zu begreifen, dass es mehr gibt als Ländergrenzen, Hautfarbe oder Religion und eine in der Geschichte der Menschheit einzigartige Zusammenarbeit auf globaler Ebene beginnt. Somit vereint der erste Kontakt mit einer außerirdischen Rasse die Menschen auf eine Art und Weise, die vorher nicht für möglich gehalten worden wäre. Im Zuge dessen verschwinden mit der Zeit kriegerische Auseinandersetzungen, Armut und Ungleichheit und die Menschheit schafft sich auf der Erde ein Paradies.
Die Gesellschaft wie man sie in Star Trek sehen kann, ist geprägt von Selbstbestimmung, Freiheit, Gemeinnützigkeit, Innovation, Frieden, politischer Stabilität, Kooperation und Forschungsdrang. Konflikte werden bevorzugt diplomatisch gelöst, es gibt Direktiven, die die Einmischung in die Angelegenheiten außerirdischer Kulturen verbietet. Geld existiert nicht mehr, aber das ist auch nicht notwendig, da die Grundbedürfnisse aller Menschen abgedeckt sind. Star Trek zeigt also das Bild einer erwachsen gewordenen Menschheit. Und genau darin liegt für mich die Faszination dieser Serie.
The acquisition of wealth is no longer the driving force in our lives. We work to better ourselves and the rest of humanity.
Trotz der Tatsache, dass bei Star Trek eine aus unserer Sicht utopische Gesellschaft gezeigt wird, werden Ereignisse und gesellschaftliche Themen auch immer wieder kritisch betrachtet. Die Serie wird dadurch für mich noch attraktiver, da keine perfekten Übermenschen dargestellt werden, sondern Menschen wie Du und ich, die Fehler machen und (hoffentlich) daraus lernen. Die besten Episoden von Star Trek regen zum Nachdenken und Hinterfragen an. Das schafft die Serie fast immer ohne den moralischen Zeigefinger zu heben, sondern mit einer möglichst objektiven Darstellung der Situation und dem Umgang der Protagonisten mit selbiger. Denn ja, auch im 24. Jahrhundert läuft trotz aller Fortschritte keineswegs alles rund. Gerade ST:TNG zeigt aber ganz gut, wie schwierige Situationen mit Diplomatie, Feinfühligkeit, Teamarbeit und Mut zum Blick über den Tellerrand gelöst werden können.
An vorderster Stelle steht dabei für mich die Rolle des Captain Jean-Luc Picard, der exzellent vom britischen Schauspieler Patrick Stewart verkörpert wird. Picard ist ein Mann voller Integrität, Ehrlichkeit und Mut, der geprägt ist von einem unersättlichen Forschungs- und Entdeckungsdrang. Die Ansprüche, die er an sich selbst und an sein Team stellt, sind hoch. Er fordert jedoch nicht nur, sondern fördert und geht mit gutem Beispiel voran. Entscheidungen werden im Team getroffen, trotzdem weiß Picard aber auch wann es an der Zeit ist, den Entscheidungsprozess zu beenden. Er trägt für sich, seine Mannschaft und für die Entschlüsse die er trifft die volle Verantwortung. Picard hat aber auch den Mut und die Courage, Befehle von Vorgesetzten infrage zu stellen, wenn sie nicht seinen Wertvorstellungen und Prinzipien entsprechen. Er ist sich seiner Fähigkeiten und Schwächen voll bewusst und besitzt die Größe, andere um Hilfe zu bitten, wenn die Situationen es erfordert.
Der YouTube-Kanal „Trekspertise“ beschäftigt sich in einem seiner Videos mit der Frage, über welche Vaterqualitäten ein Mann wie Jean-Luc Picard verfügt, auch wenn dieser selbst kein Vater ist. Das sehr empfehlenswerte Video-Essay findest Du hier: „Is Captain Picard Your TV Dad?“.
Wie alle Serien hat aber auch Star Trek seine Schwächen. Neben den üblichen dramaturgischen Fehlgriffen und unglaubwürdigen Plots (die bei so gut wie allen Serien vorkommen), möchte ich hier vor allem die manchmal übertriebene Technologiegläubigkeit hervorheben. In manchen Episoden werden komplexe Probleme durch den Einsatz noch komplexerer Technologien immer souverän gelöst. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Technologie bei Star Trek teilweise den Stellenwert einer Religion einnimmt.
Dabei sind für mich die besten Episoden diejenigen, bei denen der Mensch im Mittelpunk steht.
Doch bei all der Begeisterung für Technologie hat es Star Trek auch immer wieder geschafft, diese kritisch zu betrachten. Bestes Beispiel dafür sind die Borg, eine bei ST:TNG eingeführte außerirdische Lebensform, welche den Menschen technologisch weit überlegen ist. Mithilfe kybernetischer Implantate sind alle Individuen in einem riesigen Netzwerk, dem Borg-Kollektiv, miteinander verbunden. Die einzelne Person tritt dabei in den Hintergrund, alles was zählt, ist das Kollektiv und seine Ziele, nämlich biologische und technologische Perfektion. Diese versuchen die Borg durch die Assimilation anderer Lebensformen in ihr Kollektiv zu erreichen. Dabei werden alle biologischen und technologischen Besonderheiten der assimilierten Lebensform gewaltsam absorbiert und in das Borgkollektiv integriert.
Für mich verkörpern die Borg perfekt die Schattenseiten der Technologie. Da sie es sich zur Aufgabe gemacht haben, biologische und technologische Perfektion zu erreichen, wird das Individuum degradiert zu einem reinen Werkzeug des über allem stehenden technologischen Apparates. Auch in der heutigen Zeit wird oft darüber diskutiert, ob Technik uns noch dient oder ob wir langsam aber sicher zu Sklaven selbiger werden. Hier hält uns Star Trek also einen dunklen Spiegel vor, der uns etwas über unsere eigene Entwicklung und unser Verhältnis zum technologischen Fortschritt zeigt.
So gesehen ist Star Trek, trotz der bisweilen etwas unkritischen Relation zum Einsatz von Technologie als Element, das die Handlung vorantreibt, eine wertvolle Quelle für gesellschaftliche Fragen, die uns ganz akut auch im 21. Jahrhundert beschäftigen.
Meine Mutter dachte früher, dass ich irgendwann aus dem Alter herauswachsen würde, in dem mich Star Trek interessiert. Da mich diese Serie jedoch nach wie vor interessiert (wenn auch auf eine andere Art als damals), würde ich sagen, dass sie diesbezüglich unrecht hatte. Falls Du das hier lesen solltest, liebe Mama: Vielleicht verstehst Du jetzt ein wenig besser, warum ich nie aufgehört habe, mich mit Star Trek zu beschäftigen :).
Zusammenfassend kann ich sagen, dass der Grund warum ich Star Trek liebe ganz einfach ist: Die utopische Welt, die bei Star Trek gezeichnet wird, lässt mich träumen. Träumen von einer besseren Welt. Von einer gerechteren Welt. Von einer Welt, in der Krieg, Hunger und Leid nicht mehr existieren und die Menschheit ihre Mitte gefunden hat.
Ich weiß, dass die Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts ganz weit weg von diesen Zielen zu sein scheinen. Viele Studien und Analysen prophezeien uns eine dystopische Zukunft. Und wer weiß schon, was uns in den nächsten Jahrzehnten erwarten wird. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass es sich lohnt, mutig dorthin zu gehen, wo noch nie jemand zuvor gewesen ist - und dabei dem Pfad seiner Träume zu folgen! Denn nur wenn wir wieder auf unsere inneren und äußeren Träume hören, können wir die Welt langsam in das verwandeln, wonach wir uns so sehr sehnen.
Was bedeutet Star Trek für Dich? Findest Du eine utopische Gesellschaft, wie sie bei Star Trek gezeigt wird erstrebenswert? Oder hast Du ganz andere Vorstellungen von der Zukunft der Menschheit?
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Rechtlicher Hinweis: Star Trek und damit verbundene Produkte sind ein eingetragenes Warenzeichen der CBS Corporation und der Paramount Pictures Corporation.
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