Zurück zur Normalität?

Seit Anfang des Jahres hält das neuartige Coronavirus die Menschheit in Atem. Was als Epidemie in China begann, hat sich im Verlauf der letzten paar Monate zur globalen Pandemie ausgeweitet. Ich glaube, dass es mittlerweile kaum mehr Menschen auf diesem Planeten gibt, die nicht in der einen oder anderen Form von COVID-19 betroffen sind.

Auch ich muss mit den Ausgangsbeschränkungen und dem „Social Distancing“ klarkommen und meinen Lebensalltag danach ausrichten. Konkret bedeutet das für mich, dass ich derzeit von zu Hause arbeite („Home-Office“) und die Kinderbetreuung zusammen mit der Mama meines Sohnes organisiere, da alle Kindergärten bis auf Weiteres geschlossen bleiben.

Angst vs. Hoffnung

ch kann mich noch genau an den Moment erinnern, als mir mein Arbeitskollege die offizielle Nachricht des Kultusministeriums schickte, in der die Maßnahmen zur Schließung von Schulen und Kindergärten verkündet wurden. Unglaublich viele Gedanken schossen mir nach dem Lesen dieser Nachricht durch den Kopf: Werden wir das schaffen? Werde ich das mit der Arbeit vereinbaren können? Wie viel Energie wird mich das kosten?

Und neben diesen Sorgen eher administrativer und organisatorischer Natur, kam in mir auch die Angst hoch. Angst vor den Folgen von Corona. Was, wenn jemand aus meiner Familie daran erkrankt? Was, wenn ich selbst krank werde? Wie wird die Krankheit verlaufen? Könnte jemand den ich kenne daran sterben? Vielleicht sogar ich selbst? Was passiert nach Corona? Werde ich diese Krise gesundheitlich, emotional und finanziell unbeschadet überstehen?

Wie bei vielen anderen Menschen, löst Angst in mir eine Starre aus. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich nicht bewegen und nicht denken konnte, was schlussendlich dazu führte, dass ich den Eindruck hatte, komplett handlungsunfähig zu sein. Kurz: Es war ein furchtbares Gefühl! Wenn ich Nachrichten gehört oder mich in Sozialen Netzwerken aufgehalten habe, wurde dieses beklemmende Gefühl mit noch mehr Ungewissheit gefüttert.

Irgendwann habe ich dann bewusst aufgehört, mich dieser Flut von Eindrücken auszusetzen. Ich habe mich den Dingen gewidmet, die ich tatsächlich beeinflussen kann. Meiner Arbeit, meinem Sohn. Meiner eigenen geistigen und körperlichen Gesundheit. Und ich habe die Angst als Bestandteil von mir akzeptiert. Sie ist immer noch da, manchmal kommt sie hoch. Aber ich betrachte sie nicht als einen Feind, den ich bekämpfen oder unterdrücken muss. Ich betrachte sie als einen Begleiter, der mich vor den Gefahren im Leben schützen will und dadurch eine wichtige Funktion hat. In den Momenten, in denen Angst die Kontrolle übernehmen will, setze ich mich hin, schließe die Augen und atme ein paarmal tief ein und aus. Dadurch nehme ich wieder Verbindung mit mir selbst und der Welt um mich herum auf, statt in meinem Kopf voller angsterfüllter Gedanken zu versinken.

Die Corona-Krise schlägt hart zu: Viele Menschen sterben an dem Virus, verlieren ihre Arbeitsplätze, oder müssen bis zum Umfallen arbeiten. Unser Gesundheitssystem wird immens belastet und die langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen sind derzeit noch nicht einmal im Ansatz bekannt. Ich bin mir sicher, dass sich viele Dinge ändern werden. Sicher teilweise zum Schlechteren, aber gewiss auch zum Besseren.

Viele Firmen sehen derzeit, dass Home-Office eine gute Alternative zum täglichen Pendeln an den Arbeitsplatz ist. Not macht schließlich erfinderisch! Und so ist auch meine Firma gezwungenermaßen in den Home-Office Modus gewechselt. Und dieser hat sich richtig bewährt! Ich persönlich bin sehr glücklich über diese Lösung, denn ich kann daheim besser arbeiten, als im Großraumbüro (das wusste ich aber schon davor). Schon alleine die Tatsache, dass ich nicht ständig unterbrochen werde, weil Kollegen miteinander reden oder mit Kunden telefonieren, ist für mich sehr wertvoll. Meetings werden gezielt abgehalten und beschränken sich im Wesentlichen auf die Inhalte, die besprochen werden müssen.

Auch die Sinnhaftigkeit von ständigen Reisen wird durch diese Krise in Frage gestellt. Ist es sinnvoll und notwendig, für Geschäftsreisen in den Flieger oder ins Auto zu steigen, oder lassen sich viele Dinge nicht einfach per Videokonferenz klären?
Keine einzige Technologie-Offensive in der Vergangenheit konnte die Digitalisierung derart vorantreiben, wie es das Coronavirus imstande ist zu tun. Für mich ist noch überhaupt nicht klar, was für Auswirkungen diese Krise auf mein Leben insgesamt haben wird. Dennoch blicke ich – mit meiner Angst immer im Blickwinkel – voller Hoffnung auf das, was kommen wird.

Dankbarkeit

Neben meiner Angst und der Hoffnung auf positive Veränderungen, erlebe ich in diesen Zeiten ein weiteres Gefühl immer wieder: Dankbarkeit.

Gerade in schwierigen Zeiten schauen wir (ich nehme mich da nicht heraus) gerne auf die Dinge, die nicht gut laufen. Auf das, was unserer Meinung nach besser sein könnte, auf die Unzulänglichkeiten des Systems oder unserer Mitmenschen. Doch ist es meiner Meinung nach viel wichtiger, die Dinge in unserem Leben zu betrachten, die gut sind oder gut laufen.

Ich bin am Leben. Ich bin gesund. Wenn ich einatme, spüre ich die kühle Luft durch meine Nase strömen, beim Ausatmen strömt diese Luft angewärmt wieder aus meinem Körper. Am westlichen Nachthimmel sehe ich mit meinen Augen den Planeten Venus funkeln (ich schreibe diese Zeilen in der Nacht). Mit meinen Ohren höre ich tolle Musik und mit meiner Haut fühle ich das weiche Kissen an meinem Rücken. Ich habe ein Dach über dem Kopf. Genug zu essen in der Küche und bestes Trinkwasser, wenn ich den Wasserhahn aufdrehe. Mein Internetanschluss erlaubt mir, mich mit der ganzen Welt zu verbinden.

Ich lebe in einem Land, das ein gut funktionierendes Gesundheitssystem hat und dessen Infrastruktur in der Lage ist, uns alle zu versorgen. Die Regierung hier trifft im Großen und Ganzen sehr vernünftige Entscheidungen, um mit dieser Krise umzugehen (das ist meine persönliche Meinung).

Mein Beruf erlaubt es mir, ohne Einschränkungen von Zuhause aus zu arbeiten. Ich bin zeitlich flexibel und kann es mir einteilen, wann ich arbeite und wie ich meine Arbeit erledige. Moderne Kommunikationsmittel erlauben es mir, mit meinen Kollegen und meinen Kunden in Kontakt zu bleiben.

Ich bin sehr dankbar, dass es mir so gut geht!

Meine zweite Elternzeit

Mir persönlich gibt diese Zeit auch die Möglichkeit, mich noch tiefer mit meinem Sohn zu verbinden, als es mir bis jetzt möglich war. Durch den Wegfall der Kinderbetreuung sehe ich ihn fast täglich für mehrere Stunden. Wenn ich vormittags arbeite und mich nachmittags um ihn kümmere, kann ich in Ruhe all die Dinge mit ihm machen, für die sonst nur an den Wochenenden Zeit ist. Die Flora und Fauna im Wald erkunden, eine Fahrradtour machen oder einfach bei ihm und mit ihm sein. So viel Zeit gemeinsam mit meinem Sohn hatte ich nicht mehr, seit ich im Jahre 2017 meine zwei Monate Elternzeit genommen habe. Und ich genieße diese Zeit sehr.

Manchmal treffe ich bei meinen Ausflügen die Eltern von Kindern, die mit meinem Sohn in den Kindergarten gehen. Oft höre ich dann Aussagen wie „Hoffentlich ist das alles bald wieder vorbei!“ oder „Es nervt uns, dass die Kindergärten immer noch zu sind!“. Es kommt mir so vor, als ob diese Situation andere Eltern viel mehr belastet als mich und die Mama meines Sohnes. Vielleicht kann ich hier wirklich von Vorteil sprechen, dass wir getrennt leben. Denn dadurch kann ich mich voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren, wenn mein Kind nicht bei mir ist und voll und ganz auf mein Kind, wenn ich nicht arbeite. Bei nicht getrennten Eltern ist diese Abgrenzung wahrscheinlich manchmal etwas schwieriger.

Spaß mit dem Fahrrad in Zeiten von Corona
Spaß mit dem Fahrrad in Zeiten von Corona

Dennoch glaube ich, dass diese Zeit eine Chance für alle Familien ist, die Verbindung zwischen Kindern und Eltern zu stärken. Bei mir kommt noch dazu, dass ich in den letzten paar Wochen wieder gesehen habe, wie gut die Mama meines Sohnes und ich als Eltern zusammenarbeiten können. Das macht mich stolz und erfüllt mich mit Zuversicht, dass wir auch zukünftige Krisen gut zusammen meistern werden.

Derzeit ist noch nicht absehbar, wann die Kindergärten wieder öffnen werden. Es wird aber vermutlich noch einige Wochen dauern, was mich sehr freut. Ehrlich gesagt kann ich mir gar nicht vorstellen, wie es danach wieder (für mich) sein wird. Ich habe das Gefühl, dass ich für mich Konsequenzen ziehen muss. Wie diese genau aussehen, weiß ich derzeit nicht. Vielleicht reduziere ich Stunden und setze mehr auf Home-Office, um mir mehr Freiräume für mich und meinen Sohn zu schaffen. Eines weiß ich jedoch genau: Ich werde nicht mehr in die Pre-Corona Normalität zurückkehren können.

Zurück zur Normalität?

Regelmäßig wird in den Medien und in meinem Verwandten-/Bekanntenkreis folgende Frage gestellt: Wann kehrt die Welt wieder zur Normalität zurück? Mit Normalität ist im Allgemeinen der Zustand der Welt vor dem Auftreten des Corona-Virus gemeint.

Definition von

Zu dieser Frage, habe ich vor ein paar Wochen einen sehr interessanten Artikel des Philosophie-Professors Dr. Markus Gabriel von der Universität Bonn gelesen. Dieser trägt den Titel „Wir brauchen eine metaphysische Pandemie“ (ein Klick auf den Link öffnet den Artikel in einem separaten Tab).

Ich möchte den Beitrag an dieser Stelle nicht zusammenfassen, denn ich bin der Meinung, dass jede Zusammenfassung nur die Aussage bzw. die Essenz des Artikels schmälern würde. Ich empfehle deshalb unbedingt, den Originaltext zu lesen!

Die Aussage, die mich in diesem Beitrag von Dr. Gabriel am meisten berührt hat, ist folgende:

Die Weltordnung vor Corona war nicht normal, sondern letal.
Dr. Markus Gabriel (Inhaber des Lehrstuhls für Erkenntnistheorie, Philosophie der Neuzeit und der Gegenwart an der Universität Bonn)

Wollen wir also wirklich die Pre-Corona Weltordnung zurück? Wollen wir weiterhin auf die Zerstörung unserer Welt hinarbeiten, indem wir ein Wirtschaftssystem betreiben, das keine Grenzen kennt und die Ressourcen des Planeten gnadenlos ausbeutet? Wollen wir, dass Rassismus, Nationalismus und Intoleranz die Menschen weiter spaltet? Wollen wir, dass wir in unserer Hybris glauben, dass Technologie die Antwort auf alle unsere Probleme ist? Wollen wir, dass Menschen in helfenden und sozialen Berufen nach wie vor viel weniger verdienen als beispielsweise Anwälte, Investmentbanker oder Ingenieure, obwohl sie derzeit aber auch in "normalen" Zeiten Unglaubliches leisten?
Ist es wirklich diese Normalität, die wir zurückwollen?

Also ich nicht!

Ich habe den letzten Abschnitt dieses Artikels bewusst relativ kurz gehalten. Mein Ziel ist es, dass Du Dir Gedanken darüber machst, in welche Normalität Du zurück willst. Was ist Dir wichtig und warum? Was können wir tun, damit die Welt nach Corona dauerhaft lebenswert für alle Lebewesen ist?

Gerne darfst Du die Kommentarfunktion unterhalb dieses Artikels für Kommentare und Anmerkungen benutzen. Oder schreib mir doch einfach eine Nachricht per Email.
Und falls Du es noch nicht getan haben solltest: melde Dich bei meinem Newsletter an (siehe unten), um keinen neuen Artikel zu verpassen!

Titelbild: Jongsun Lee / Unsplash



Hinterlasse einen Kommentar

Verfügbare Formatierungen

Benutze Markdown-Befehle oder ihre HTML-Äquivalente, um deinen Kommentar zu formatieren:

Textauszeichnungen
*kursiv*, **fett**, ~~durchgestrichen~~, `Code` und <mark>markierter Text</mark>.
Listen
- Listenpunkt 1
- Listenpunkt 1
1. Nummerierte Liste 1
2. Nummerierte Liste 2
Zitate
> Zitierter Text
Code-Blöcke
```
// Ein einfacher Code-Block
```
```php
// Etwas PHP-Code
phpinfo();
```
Verlinkungen
[Link-Text](https://example.com)
Vollständige URLs werden automatisch in Links umgewandelt.
© Erträume Deine Welt!

Diese Website verwendet Cookies oder ähnliche Technologien, um Ihr Surferlebnis zu verbessern und Ihnen personalisierte Empfehlungen zu geben. Durch die weitere Nutzung unserer Website erklären Sie sich mit unserer Datenschutzrichtlinie einverstanden.